ALLES IST IM FLUSS

Deutscher Werkbund Berlin

Vernissage, 27. Juli 2021; Eröffnungsrede: Gerwin Zollen, Berlin


Aus zwei Gründen freue ich mich, sie heute hier begrüßen zu dürfen. Der eine ist ein egoistischer, dass ich nämlich nach langer Pause mal wieder für den Werkbund tätig werde, der zweite ist natürlich Christine Jackob-Marks, die Malerin, zu deren Ehrentag (vor einem Jahr) die Ausstellung heute stattfindet, und die ich von Herzen und mit großer Freude willkommen heiße – im Kreis so vieler Freunde, Bekannter und Begleiter.

Man sagt ja, und ich fürchte mit einigem Recht, dass das Zeitalter und die Kultur der Dame heute vorbei seien. In der Tat, wer könnte den Begriff der Dame schon gendern?! Dass jede Dame eine Frau ist, ist selbstverständlich, aber deswegen ist noch lange nicht jede Frau eine Dame!  Generosität, Grandezza, Empathie und Contenance, sprühende Rede und Lebenslust gehören zu einer Dame – und daraus ersieht man rasch, dass Christine Jackob-Marks eine Grande Dame ist, der Kunst selbstverständlich, weil sie Malerin ist und Schauspielerin und Sozialtherapeutin war. Aber sie war und ist auch eine Dame mit einem ausgeprägten Genie zur Geselligkeit, mit Noblesse, aber ohne Pomp und Circumstances. Zu diesem Genie gehören natürlich Herzlichkeit, Wärme, Aufmerksamkeit, kurz, was man mit dem hübschen deutschen (!) Wort: eine Haltung der Awarness nennt, der empathischen und freundschaftlichen Wachsamkeit. 

Und schließlich ist diese Dame auch noch adlig! Zumindest für meine Generation einer linksliberalen Intelligenzija mit nonkonformistischem Traditionalismus ist die Ablehnung, ist der final gesenkte Daumen eines Helmuth Kohl eine zweifelsfreie Adelung, ein Ritter-,  quatsch, ein Damenschlag, wie ihn nur wenige erhielten. So geschehen, als der Dauer-Kanzler Mitte der 90er-Jahre ihren Entwurf für das Holocaust-Mahnmal neben dem Brandenburger Tor rigoros ablehnte und eine Neuausschreibung forderte (Ein zweiter erster Preis ging damals übrigens an Simon Ungers, den Sohn des großen Oswald Mathias Ungers!) Allenthalben kenne ich Christine Jackob-Marks spätestens seit dieser Zeit.

Nun, ich werde mich hier nicht entblöden, nach den etlichen Seitenwechseln meiner Biographie auch noch zum Kunstkritiker zu werden – ich bin Liebhaber ihres Metiers, des Malens und ihres Mediums, der Bilder, aber gleichsam bloß mit Sportkäppi und Breeches, ein Amateur und Durchschnittskenner mit dem klaren Vorteil, nämlich zu meinen eigenen Vorlieben und Vorurteilen ein gutes und  beharrliches Verhältnis zu haben!

Es gibt unter uns hier Berufenere, sich zur Kunst von Christine Jackob-Marks zu äußern, nämlich Manfred Eichel, der legendäre Aspekte-Chef, Kunstkenner und Professor, sowie die Schriftstellerin Ina Weisse, die langjährige Freundin von Christine Jackob-Marks.

Manfred Eichel schildert in einem wunderbaren Essay im großen Katalog ihrer Werke – ich zitiere wie sich’s gehört mit Herkunft und Quelle! – die „puren Assoziationsangebote ihrer Malerei, das harmonisch-freie Spiel von Farben, Formen und Linien“, das mit ausgeprägtem Rhythmusgefühl eine „enorme energetische Kraft“ ausstrahlt.

Und Ina Weisse wiederum legt in dem schönen Einführungstext dieser Ausstellung dar, dass die Konstante im steten Wechsel von „Sujet und Ausdrucksform“ bei Christine Jackob-Marks in der Inszenierung des eigenen Erlebens und der „Darstellung ihrer emotiven Ideen“ liege – ich zitiere: „In den letzten Jahren fand die Künstlerin die Freiheit, die Leinwand mit großer malerischer Geste zu füllen. Kraftvoll und energisch erobert sie mit der entschiedenen Bewegung des Pinsels, dem spontanen Farbauftrag die Form.“

Angesichts dieser veritablen Einführungen bleibt mir nur, ihnen bei der Betrachtung dieser wilden und heftig farbigen, sensibel und weiten Bilder mit ihrer austarierten Flächigkeit Vergnügen und Lust zu wünschen, um die Delikatesse der Kunst zu erfahren, die Christine Jackob-Marks uns schenkt.

Gerwin Zollen

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